WOZU OPEN SOURCE IM PUBLIC SECTOR?

Open Source bezeichnet eine neue Form der Softwareanwendung und Entwicklung -  Keith Curtis vergleicht diesen Entwicklungsschritt von „closed source“ hin zu „open source“ mit dem Schritt von der Alchemie hin zur Wissenschaft. Durch die Vernetzheit der Entwickler und die Verfügbarkeit des Quellcodes befinden sich Open Source Anwendungen in einer dauerhaften Qualitätskontrolle und Verbesserung. Damit hat Open Source Software heute einen Professionalisierungsgrad erreicht, der proprietärer Software in nichts nachsteht. IT-Verantwortliche, die Open Source Software nutzen, betonen sogar, dass Open Source Software „sicherer, stabiler und flexibler“ sei als proprietäre Software [1].

Vor allem in den Bereichen Serverbetriebssysteme, Web- und Mailserver, Datenbanken und Middleware hat sich Open Source Software bereits etabliert. Seit 2001 weist der Marktanteil der Branche ein ständiges Wachstum auf. Laut einer Studie der europäischen Kommission zum wirtschaftlichen Stellenwert von Open-Source-Software in der EU (“Economic impact of open source software on innovation and the competitiveness of the Information and Communication Technologies (ICT) sector in the EU”, November 2006) beläuft sich der Gesamtwert aller in der EU erwirtschafteten Open-Source-Produkte auf ca. 12 Milliarden Euro. Neben originären Softwareherstellern, entstammt ein Großteil der Entwicklerunternehmen auch aus anderen Bereichen der  IT- und Telekommunikationsbranche, die mit 565.000 Arbeitsplätzen einen Gesamtumsatz von 263 Milliarden Euro ausweisen. Ein direkter Einfluss von Open-Source-Software auf die europäische Wirtschaft ist der Studie nach somit nicht von der Hand zu weisen.[2] Diese Erkenntnis deckt sich mit den Ergebnissen der Trendstudie „Open-Source für Deutschland“ von Heise open und der Wilken GmbH.[3] Hier zeigt sich das steigende Ansehen von Open-Source-Software in Unternehmen. Bereits im Jahr 2008 maßen 40% der Befragten dem Open-Source-Einsatz eine unternehmenskritische Bedeutung zu.

So ist Open Source Software heutzutage in allen Bereichen der IT angekommen. Neben den klassischen Anwendungsbereichen wie Servern, Betriebssystemen, Webservern und Netzwerk-Infrastruktur, ist Open Source Software mittlerweile auch auf Desktop-Anwendungen vertreten.

Die OSS-Community kann eine Vielzahl an erfolgreichen Projekten vorweisen. Folgende Auswahl nennt einige der prominentesten Beispiele:

  • WordPress ist ein Open-Source-System zum Aufbau und zur Pflege von Website-Inhalten. Nachdem es 2001/2002 entwickelt und unter GPL veröffentlicht wurde, ist es stetig von Benutzern weiterentwickelt worden und gilt als Standardprogramm zur Homepagepflege.
  • Wikipedia ist inzwischen als die umfassendste und aktuellste Enzyklopädie der Welt anerkannt – und beruht auf völlig unentgeltlichen Beiträgen tausender Individuen.
  • Linux ist ein im Wesentlichen von Programmierern in deren Freizeit erstelltes Betriebssystem, und  inzwischen Standard bei vielen professionellen Anwendern – und völlig unentgeltlich verfügbar. Oftmals verdrängt Linux besonders bei Serveranwendungen kommerzielle Anbieter und das nicht nur aufgrund des Preises: Es ist tatsächlich besser.
  • Durch Open Source besteht die Möglichkeit, vor Ort passgenaue Lösungen zu entwickeln und den lokalen Anforderungen entsprechend in der Verwaltung einzusetzen.

Der Professionalisierungsgrad von Open Source wird von IT-Verantwortlichen jedoch noch nicht in vollem Maße anerkannt und  viele Einrichtungen der öffentlichen Hand zögern nach wie vor auf Open-Source Software umzurüsten. Fragen nach Garantie und Support, der Sicherheit, dem Schulungsaufwand und der Weiterentwicklung von Lösungen in einer Community sind mit Fragezeichen behaftet.

Zweifelsohne bietet Open Source Software großes Potenzial für den öffentlichen Sektor. Durch den Einsatz von quelloffener Software können Kosten für IT-Beschaffungen gesenkt werden. Gleichzeitig verringert sich die Abhängigkeit des öffentlichen Sektors von einzelnen Herstellern lizenzpflichtiger Software. Denn: Open Source Software kann frei genutzt, verbreitet, kopiert und weiterentwickelt werden. Da der Quellcode frei zugänglich ist,  können Anwender die Software an die eigenen Bedürfnisse anpassen und die Veränderung, unter Einhaltung der Lizenzbedingungen, veröffentlichen.

Open Source Software vereint mehrere interessante Vorteile für die Verwaltung. Produkte, die unentgeltlich in Online-Communities in gemeinsamer Arbeit entstehen entsprechen immer öfter auch professionellen Qualitätsstandards (etwa dem BSI-Sicherheitsstandard). Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Open Source überaus erfolgreich ist. Viele Programme gelten inzwischen als  sicherer als vergleichbare „closed software“, also proprietärer Software, die Anwendbarkeit ist flexibler und passgenauer zugeschnitten und vor allem entstehen für die Anwender keine oder nur sehr geringe Kosten.

Durch die angepasste Form lässt sich Open Source Software gut anwenden, die Hardware-Anforderungen in Behörden und Verwaltungen sind sehr gering. Open Source Programme benötigen zumeist wesentlich weniger Speicherplatz und Prozessorkapazitäten als proprietäre Softwarelösungen.  Dass  bedeutet, dass die Hardware-Ausstattung länger genutzt werden kann und nicht im Rahmen jeder Softwareerweiterung erneuert werden muss. Außerdem kann durch freie, flexible Software schneller reagiert werden. Auftretende Probleme können schnell vom Entwickler vor Ort behoben werden, ohne dass der IT-Support angemeldet oder die neueste Version abgewartet werden muss

Die vorliegende Publikation will sich mit der Kluft zwischen dem hohen Professionalisierungsgrad einerseits und den Bedenken von Entscheidern und IT-Verantwortlichen in der Verwaltung andererseits objektiv auseinandersetzten und somit eine Entscheidungshilfe darstellen.

Dieser Herausgeberband zeigt auf,  warum Open Source gerade im öffentlichen Sektor eine gute Wahl sein kann. Dabei soll vor allem gezeigt werden, wie dieses Konzept für die Anwendung im öffentlichen Sektor, der spezifische Ansprüche z.B. in punkto Sicherheit, Unabhängigkeit und Verlässlichkeit hat, vorteilhaft sein kann.  Neben diesen technischen und wirtschaftlichen Vorteilen, sind auch die funktionalen Vorteile von Open Source Gegenstand dieses Buches. Durch offene Schnittstellen, ermöglicht Open Source eine neue Art der Interaktion zwischen Verwaltung, Unternehmen und Bürgern.

Durch den großen Querschnitt an Autoren ist es gelungen ein ausgewogenes Bild auf das Thema Open Source im öffentlichen Sektor zu werfen.

Viel Vergnügen bei der Lektüre.

Heinrich Fritzlar, Andreas Huber, Alexandra Rudl

Im Februar 2012

 

 

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