1.6 Von Open Source zu Open Commons: Über den freien Zugang zu digitalen Kulturgütern (Gregor Kratochwill und Stefan Pawel)

Kurzfassung: 2010 wurde von der Stadt Linz die Initiative „Open Com­mons Region Linz“ gestartet, die einen freien Zugang zu digitalen Kulturgütern ermöglichen soll. Ein Bündel an Maßnahmen basierend auf einer wissenschaftlichen Studie gibt den Weg zur Umsetzung einer Open-Commons Region vor und eine Open Government Data Plattform setzt erste Impulse.

Über die Autoren: Mag. Gregor Kratochwill, seit 2008 Projektleiter des Linzer Public-Space-Servers, sammelte Erfahrungen im Projektmanagement, im Marketing und im Vertrieb. Mitarbeiter in der Volkshochschule Linz und Pädagogischer Assistent des Selbstlernzentrums der Volkshochschule und Stadtbibliothek Linz. Mag.

Stefan Pawel, seit 2010 Projektleiter der Open-Commons Region Linz, sammelte Erfahrungen im Projektmanagement von Web-Projekten, im Marketing und im Vertrieb. Mitautor „Freie Netze. Freies Wissen.“, „Freiheit vor Ort“ und Autor zum Thema Webwissenschaften.

 

Studie „Open Source Region Linz“

2010 wurde von der Stadt Linz die Initiative „Open Commons Region Linz“ gestartet, die einen freien Zugang zu digitalen Kulturgütern verschiedenster Art ermöglichen soll. Diese Entscheidung ist im Kontext verschiedener Projekte und Beschlüsse des Linzer Gemeinderates zu sehen. Die städtische Initiative „Hotspots“ in Kooperation mit einem lokalen Provider versorgt öffentliche Plätze mit einem kostenlosen WiFi Internetzugang. Der Public Space Server garantiert jeder/m LinzerIn über 14 Jahre einen kostenlosen und werbefreien Webspace von einem Gigabyte. 2009 wurden künstlerische Wer­ke, die unter einer freien Lizenz zugänglich gemacht wurden, von der Stadt mit einem Förderbonus in der Höhe von 10% unterstützt (Forsterleiter 2011).

Der Open-Commons Region ist 2008 ein Beschluss des Linzer Gemeinderats vorangegangen, der die IKT Linz GmbH (städtische IT) mit einer Studie über die Möglichkeiten einer Open Source (OS) Region Linz beauftragte. Wissenschaftlich begleitet wurde die Studie vom Institut für Personal- und Organisationsentwicklung an der Johannes Kepler Universität. Dabei wurden in acht Arbeitspaketen Maßnahmen zur Etablierung einer Open-Commons Region identifiziert und beschrieben.

Die empirische Grundlage stellte die Befragung von „Meinungsfüh­rerInnen“ im Großraum Linz dar. Mit dem Ergebnis, dass für ca. 50% die Hälfte der Befragten der Einsatz von Open-Source-Software im eigenen Un­ternehmen bzw. Verantwortungsbereich von Interesse ist, konnte eine po­sitive Haltung abgeleitet werden. In diesem Kontext wurden Kostensen­kun­gen als Hauptmotiv genannt. Die Befragten hatten eine durchwegs positive Einstellung zur regionalen Förderung derartiger Projekte, sowie zum Aufbau eines Open-Source-Kompetenzzentrums in Linz (Müller 2009: 3). Für das „Funktionieren“ der Open-Commons-Region Linz wurden kritische Erfolgs­faktoren wie das Aktivitätsniveau, Innovationspotenzial, Popularität und Rechts­sicherheit identifiziert. Im Bereich der Chancen und Risiken wurden Probleme wie beispielsweise eine unzureichende Lösungsmetrik für die Beurteilung von OS-Projekten bestätigt und die notwendigen projektspezifischen Bewertungen betont. Es ist vom Einsatzgebiet und von den Projekt­zielen abhängig, welchen Bewertungskriterien der Vorzug zu geben ist. Jene für die Open-Commons-Region Linz relevanten Ergebnisse sind: die identi­fi­zierten Stärken und Chancen zu nutzen und die Schwächen und Risiken bei­spielsweise in Form eines Kompetenznetzwerks zu kompensieren (Kem­pin­ger et al. 2010: 32).

Die Abgrenzung der Begrifflichkeit „Open Source Region“ wurde im Kontext einer örtlichen Relation getroffen, in der OS-Projekte initiiert und vorangetrieben werden. Identifizierte Beispiele sind die OS-Region Stuttgart, Berlin, Nürnberg und Wien. Die Unterschiede dieser Regionen sind in den Zielen, den Trägerschaften und Organisationsformen auszumachen. Fokus dieser Regionen sind die wirtschaftliche Kooperation, Wissenstransfer, das Vorantreiben von Entwicklungen und ein volkswirtschaftlicher Nutzen. Als zwei wichtige Erfolgsfaktoren für eine OS-Region wurden ein „breiter Konsens“ sowie das Einbinden von relevanten Stakeholdern identifiziert (ebd.: 36).

Basierend auf drei bereits gebräuchlichen Kriterienkatalogen[1] für OS-Pro­jekte wurde ein spezifischer Katalog entwickelt, der es ermöglicht, anhand von drei kaskadischen Entscheidungspunkten (Gates) ein reproduzierbares Ergebnis zu etablieren. Dieses System lässt sich in bestehende Entschei­dungs- und Innovationsprozesse integrieren (ebd.: 40).

 

Open Commons: immaterielle, digitale Gemeingüter

Im Zuge der Studie wurden auf Basis der Erkenntnisse aus der Forschung, in Abstimmung mit der Stadt Linz, Anpassungen in der Ausrichtung vorge­nommen, um eine Realisierbarkeit der Folgeprojekte zu ermöglichen.

Die potenzielle Einschränkung durch ausschließliche Betrachtung von „Open Source“ für diese Studie, wurde zugunsten der Open Commons (OC) verworfen, um nicht auf eine Softwarediskussion reduziert zu werden. Dabei „verstehen die Verfasser unter dem Begriff ,Open Commons‘ (OC), dass ein Artefakt (Werk, Erfindung oder sonstiger Gegenstand) frei genutzt werden kann, obwohl es durch das Urheberrecht, Patentrecht oder andere gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen geschützt ist“ (ebd.: 11). In einer vernetzten Informationsgesellschaft sind immaterielle, digitale Güter wie Daten, Soft­ware, Literatur-, Bild-, Ton- und Filmwerke von grundlegender Bedeutung und ebenso wichtig wie materielle Güter. Damit definiert sich auch die Rolle des Staates neu, indem er diese nicht nur verwaltet und gestaltet wie mate­rielle Gemeingüter, sondern durch Bewusstseinsbildung, durch gesetzliche Rahmenbedingungen und durch gezielte Förderung dazu beiträgt, dass sie entstehen und sich entwickeln können (ebd.: 7).

 

Maßnahmen zur Verankerung einer Open-Commons Region

Die Ergebnisse der Arbeitspakete wurden in sogenannte „Maßnahmenemp­fehlungen“ übergeleitet. Diese umfassen strategische Handlungen zur Veran­ke­rung des Open-Commons Gedankens in der Region Linz sowie die Initi­ierung und Etablierung nationaler und internationaler Kooperationen und operationale Handlungen zur Organisation, Koordination und Förderung von Open-Commons-Aktivitäten im Raum Linz (Kempinger et al. 2010). Aus der Studie und den daraus resultierenden Interpretationen lässt sich rasch erkennen, dass das Thema von einer Idee zur Querschnittsmaterie einer Stadt bzw. einer Region geworden ist. Die Herangehensweise an das Thema war so gewählt, dass sowohl AkteurInnen, EntscheiderInnen, die Wissenschaft und die Verwaltung operationalisierbare Empfehlungen erhalten haben, um aufbauend agieren zu können.

 

Erster Realisierungsschritt: Open-Data-Plattform

Als erster Schritt aus den Maßnahmenempfehlungen wurde Ende 2010 die Schaffung einer Einrichtung zur Unterstützung und Koordination von Open-Commons Aktivitäten umgesetzt. Als erstes Projekt für das Jahr 2011 wurde der Aufbau einer Open-Government-Data-Plattform ausgewählt. Auf dieser Website werden Regierungs- und Verwaltungsdaten der Stadt Linz in einer maschinenlesbaren Form, offen lizenzierten, nicht proprietären Form dauerhaft und kostenlos zur Verfügung gestellt (von Lucke/Geiger 2010). Die Daten werden mit der Lizenz „Creative Commons mit Namensnennung“ (CC-BY) zur Weiterverwendung und Wiederverwertung zur Verfügung gestellt. Alle Interessierten aus der Bevölkerung, der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Kunst- und Kulturszene können die Daten miteinander kombinieren und daraus neue Erkenntnisse entwickeln oder neue Services und Applikationen kreieren. Auf dem Open-Data-Portal der Stadt Linz werden in der ersten Phase statistische Daten zur Bevölkerung, Wahlergebnisse, Geodaten, Veranstaltungsdaten, Echtzeitdaten des öffentlichen Verkehrs und Protokolle des Gemeinderates veröffentlicht. Mögliche Synergien im Zusammenwirken der Stadt Linz und der Open Street Map Community können durch den Austausch von Geodaten für beide Seiten eine Qualitätsverbesserung des jeweiligen Datenmaterials bedeuten (Kempinger et al. 2010).

Im Zusammenwirken von BürgerInnen und der Verwaltung werden in den nächsten Monaten noch weitere Daten zugänglich gemacht. Einerseits wissen die MitarbeiterInnen der Verwaltung selbst, welche Datenschätze sie betreuen, und andererseits können die Anforderungen von den Interessierten selbst vorgebracht werden. Für die Zukunft ist geplant, die relevanten Stakeholder, wie Institutionen und Unternehmen für die Open-Data-Plattform zu gewinnen. Sie stellen weitere Daten zur Verfügung und können dadurch von den neu gewonnenen Erkenntnissen profitieren. Diese Offenheit und der entstehende Know-how-Gewinn stellen einen Standortvorteil für die gesamte Region dar. Die Entwicklung neuer Anwendungen für Wirtschaft und Verwal­tung können des Wweiteren die Wirtschaftlichkeit von Leistungserstel­lungs­prozessen und die Wirksamkeit der geschaffenen Leistungen steigern.


Ausblick: Die Zukunft ist Open

Basierend auf den neuen Technologien (Web 2.0) und Methoden (Crowd­sourcing) des Internets, durch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle (Open-Source-Business-Modelle) und den Austausch von offenen Daten über Organisationsgrenzen hinweg entsteht eine neue Form des Wirtschaftens und der Kooperation. Die Umsetzung der Open-Commons-Idee stellt eine wich­tige Investition in die Zukunft der Region Linz dar und kann zahl­reiche posi­tive Impulse geben. Der Geist der Offenheit, der Kreativität und der Koope­ration kann zu kooperativem Wettbewerb und einem Standortvorteil der Region führen. Durch die offen zur Verfügung stehenden Daten und Wissen können weitere Unternehmen angezogen werden und ebenfalls von dem Um­feld profitieren. Die Stadt Linz unterstützt diese Projekte und möchte ihren Namen als offene, web-affine Stadt noch verstärken (Forsterleitner 2011).

 

Quellen

Forsterleitner, C. (2011): Die Open Commons Region Linz. Wie man das globale Phänomen Internet lokal gestalten und nutzen kann, in: Luger, K.; Mayr, H. (Hrsg.): Stadtgesellschaft. Werte und Positionen. Linz, S. 211–221.

Kempinger, G.; Pink, H.; Pomberger, G.; Plösch, R.; Riedl, R.; Schiffer, S. (2010): Studie Open-Commons-Region Linz: Fakten, Pers­pektiven, Maßnahmen. Linz.

Müller, B. (2009): Studie OPEN SOURCE Region Linz. Dokumentation der Um­frage QE225. Linz.

von Lucke, J.; Geiger, C. P. (2010): Open Government Data: Frei verfügbare Daten des öffentlichen Sektors. Gutachten für die Deutsche Telekom AG zur T-City Friedrichshafen; Version vom 03.12.2010. Zeppelin University Friedrichshafen.



[1] „Es wurden drei Ansätze identifiziert: OpenBRR, QSOS und QualiPSo“ (Kempinger et al. 2010: 37).

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