3.5 Grünes Licht für Groupware-Alternativen im Bundestag (Alexandra Sondergeld)

Kurzfassung: Die Nutzung von Microsoft Outlook setzt nicht zwingend auch den Einsatz eines Microsoft Exchange Servers voraus. Wer von Vorteilen wie Kosteneinsparungen und hohe Anpassbarkeit durch Open-Source-Software profitieren möchte, kann hier auf Groupware- Alternativen setzen, die dem proprietären Platzhirsch in nichts nachstehen.

Der Beitrag berichtet über die Migration bei der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen von Microsoft Exchange zur Zarafa Commu­nication Platform. Die professionelle Groupware auf Open-Source-Basis verwendet wie Exchange und Outlook die MAPI-Schnittstelle und kommuniziert daher nativ und stabil mit Outlook.

Über die Autorin: Alexandra Sondergeld, staatl. gepr. Betriebswirtin, 1982, studierte Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Marketing an der Fachschule für Wirtschaft in Fulda und ist als freie Autorin im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien tätig. Seit 2008 ist sie außerdem Marketing- und PR-Leiterin in einem IT-Unternehmen mit Fokus auf Open-Source-Software. Zuvor konnte sie mehrere Jahre Erfahrungen im Vertrieb von Telekommunikationstechnologien sammeln.

 

Ablösung durch bewährte Alternativen

Kein Instrument wird bei der internen Zusammenarbeit so stark genutzt wie die Groupware. Das hat zur Folge, dass den Nutzern ein Groupware- und E-Mail-System zur Verfügung stehen sollte, das leistungsfähig, stabil und up to date ist. Als Standard im Bereich der Groupware-Clients wird zweifelsfrei Microsoft Outlook angesehen. Kein Produkt konnte in diesem Bereich mehr Akzeptanz durch die Benutzer gewinnen. Dahinter steht meist ein Microsoft Exchange Server, der die Postfächer und Kalender der Benutzer mit Informationen versorgt.

Obwohl diese beiden Microsoft-Produkte über das gemeinsame Messa­ging Application Programming Interface (MAPI) optimal miteinander kommunizieren, bietet besonders der Exchange Server nicht nur Vorteile: Neben dem großen Ressourcenhunger wird die komplexe Administration beklagt. Die Lizenzpolitik von Microsoft wird von Organisationen und Unternehmen außerdem oft als kostspielig und nicht transparent empfunden. Hier lohnt es sich daher, nach fähigen Alternativen zu suchen. Fündig wird man im Open- Source-Bereich bei zahlreichen und inzwischen bewährten Produkten.

 

Veraltete Speicherkonzepte bei Microsoft

Auch die Bundestagsfraktion der Grünen suchte im Jahr 2009 eine Alternative, nachdem deutlich wurde, dass die aus Aktualitätsgründen notwendig gewordene Umstellung von Microsoft Exchange 2003 auf die Version 2007 nicht einfach nur ein Update werden würde. Dirk Mönig, Leiter EDV und Organisation bei der Grünen-Fraktion im Bundestag, erinnert sich: „Norma­ler­weise gibt es ein Produkt und Updates. In diesem Fall war das aber nicht so. Die Umstellung wäre so komplex geworden, dass ein komplett neuer Ex­change Server 2007 hätte aufgesetzt und das System migriert werden müs­sen.“

Zu diesem hohen Aufwand kam hinzu, dass das Speicherkonzept des Exchange Servers für E-Mails veraltet war. „Microsoft hatte es auch bei der Version 2007 nicht geschafft, eine datenbankbasierte Informationsspeicherverwaltung zu verwenden. Trotz vorheriger Ankündigungen gab es keine Integration mit dem Microsoft SQL Server und das war perspektivisch kein gangbarer Weg für uns. Aus leidvoller Erfahrung wussten wir, dass ein kleiner Fehler in den großen Informationsspeicherdateien einen kompletten Verlust von Informationen bedeuten kann, was auf Dauer nicht mehr tragbar war“, so Dirk Mönig. „In der Folge entschieden wir uns daher, ein Alternativsystem einzusetzen.“

Im Internet recherchierte Dirk Mönig nach Groupware-Alternativen, die mit Microsoft Outlook zusammenarbeiten. Evaluiert wurden die Oracle Collaboration Suite, Scalix, Kolab, Zarafa und Open-Xchange.

 

Outlook-Nutzung mit MAPI, Datenhaltung und Web Access

Aufgrund der besten Outlook-Integration entschied man sich nach einem Test für die Zarafa Collaboration Platform. Zarafa verwendet als einziger Anbieter nativ die MAPI-Schnittstelle für die Kommunikation mit Outlook und kommt so ohne komplexe Konnektoren aus, die bei vielen anderen Lösungen die Daten aufwendig in andere Formate übersetzen müssen. „Die Outlook-Integration ist für uns die wichtigste Voraussetzung, da die 140 Mitarbeiter Outlook sehr intensiv nutzen, besonders hinsichtlich der Gruppenpostfächer“, begründet Dirk Mönig. „Die Fraktion hat viele Bereiche, in der mehrere Mitarbeiter zusätzlich zu den persönlichen Postfächern Zugriff auf Gruppenpostfächer benötigen, um einheitlich nach Außen im Namen der Abteilung zu agieren, und auch, um sicher zu gehen, dass Anliegen zeitnah bearbeitet werden. Ein Beispiel hierfür ist die Pressestelle. Dieser gleichzeitige Zugriff im Outlook hat bei wenigen Anbietern funktioniert. Jedoch geht es nicht nur um ein einzelnes Gruppenpostfach, sondern manche Mitarbeiter müssen auf bis zu drei Gruppenpostfächer zugreifen. Da haben die meisten Lösungen versagt. Entweder hat bereits die Einbindung nicht funktioniert, oder aber die Funktionalitäten waren nicht alle vorhanden. Wegen dieser uns bewussten Probleme haben wir uns das sehr genau angeschaut.“

Laut Dirk Mönig sprachen aber noch weitere Punkte für Zarafa: „Das Datenhaltungskonzept mit der Kombination aus der Ablage der Objektdaten in der Datenbank und der Anlagen im File-System ist sehr ansprechend. Außerdem stehen beispielsweise mit Apache- und MySQL-Technologien hinter Zarafa, mit deren Einsatz wir bereits Erfahrungen haben und bei denen wir über Know-how verfügen. Und nicht zuletzt ist es ein Open-Source-Produkt, was uns aus politischen Gründen sehr sympathisch ist.“

Als ein weiterer von Zarafa einzigartig gut gelöster Aspekt benennt Dirk Mönig den Web Access: „Der Web Access wird sehr intensiv genutzt, daher war dies auch ein wichtiges Kriterium. Bei Zarafa weist er eine sehr hohe Funktionalität auf, die dem zuvor Gewohnten von Microsoft Exchange sehr nahe kommt. Das haben die anderen Anbieter nicht so gut realisiert.“

 

Server- und Postfachmigration und Einrichtung der Hochverfügbarkeit

Nach mehreren Testläufen startete im August 2009 die EDV-Abteilung der Bundestagsfraktion mit der Migration von Microsoft Exchange 2003 auf Zarafa 6.30 in der Professional Edition, die neben Hochverfügbarkeit die Verwendung des BlackBerry Enterprise Servers unterstützt. Zuvor wurden der Zarafa-Server und die MySQL-Datenbank auf Ubuntu aufgesetzt und Postfix als Mail Transfer Agent eingerichtet. Weiterhin war die Rückübertragung der mit PAM for Exchange archivierten E-Mails auf den Exchange-Server notwendig. Dann wurden alle Exchange-Anbindungen gestoppt, alle E-Mail-, Kalender-, Aufgaben- und Kontaktdaten mittels PST-Dateien exportiert, nach Zarafa importiert und die Zarafa-Clients ausgerollt. Durch Ex- und Import von PRF-Dateien wurden abschließend Profilinformationen auf den neuen Groupware-Server übertragen und so die Benutzerprofile eingerichtet.

Insgesamt wurden neben den 140 persönlichen Postfächern der Mitarbeiter weitere 140 Postfächer migriert. Diese setzen sich zum einen aus Gruppenpostfächern zusammen. Zum anderen sind dies zusätzliche Postfächer, die statt der persönlichen Postfächer für Smartphones wie BlackBerry oder iPhone genutzt werden, um den Informationsfluss vom Büro aus steuern zu können.

Um gegen Ausfälle des Servers gerüstet zu sein und in einer solchen Situation nicht an Produktivität zu verlieren, wurde ein Hochverfügbarkeitscluster eingerichtet. Dazu wurde ein weiterer Server aufgesetzt, der ebenfalls den Zarafa-Server und die MySQL-Datenbank beherbergt. Auf jeweils einem Server läuft aktiv Zarafa beziehungsweise MySQL, während die andere Kom­ponente sich im passiven Modus befindet. Mit DRBD (Distributed Re­plicated Block Device) werden die Daten der beiden Server-Nodes gespiegelt und so synchron gehalten. Im Falle einer Störung übernimmt dann der intakte Server die Aufgaben des anderen.

 

Problemlösung in Zusammenarbeit mit Hersteller und Dienstleister

Ganz problemlos verlief die Umsetzung für die Fraktion der Grünen nicht. Microsoft Exchange wurde zuvor derart intensiv genutzt und ausgereizt, dass nicht alle alltäglichen Aufgaben der Mitarbeiter auf dem Zarafa-Server identisch abgebildet werden konnten. Gemeinsam mit Zarafa und einem IT-Dienst­leister, der Science + Computing AG, wurden Lösungsansätze erarbeitet. „Wir haben uns die Themen, wie zum Beispiel fehlende Adressbuchfunktionalitäten, vorher eingehend angeschaut und uns war klar, dass bei unserer komplexen Infrastruktur und solch hohen Ansprüchen der einfache Migrationsweg nicht machbar ist. Daher hatten wir die Lösungswege schon vor der Migration parat“, sagt Dirk Mönig. „Inzwischen hat Zarafa einige unserer Anforderungen mit den Versionen 6.40 und 7 umgesetzt.“ Ein Auszug der Probleme und Lösungen ist in untenstehender Tabelle aufgeführt (Tabelle 1).

Tabelle 1: Migrationsprobleme und Lösungsansätze (Auszug)

Problem Lösung
Fehlende Adressbuchfunktionalitäten:Unsichtbare Benutzer für Aufnahme in Globalem AdressbuchGruppen als von extern erreichbare VerteilerFilterregeln für Globales Adressbuch Zunächst individuelle Lösung durch Skripte; mit Zarafa 6.40 umgesetzt
Freigaben von Postfächern und Kalendern wurden nicht übernommen Neueinrichtung durch Benutzer
Einbindung weiterer Postfächer im Outlook wurde nicht übernommen Neueinrichtung durch Benutzer
Berechtigungen für passive Objekte
(z. B. Gruppenkalender) wurden nicht übernommen
Auslesen und manuelles Setzen durch Administrator
Interner Versand von E-Mails an in Outlook gespeicherte Adressen verursachte Unzustellbarkeitsbenachrichtigungen Anzeigename und ID waren identisch, Entfernen von „outlook.nk2“ half; Inzwischen Konvertierung von Adressen in das SMTP-Format über Zarafa Migrationstool (ZMT) möglich
Umlaute wurden nicht dargestellt Anlegen von Locales im Betriebssystem
Vertraulich gekennzeichnete Nachrichten bei Zugriff auf Gruppenpostfächer nicht lesbar Einstellung: Private E-Mails dürfen von Stellvertreter eingesehen werden

 

„Aus heutiger Sicht könnte man vielleicht sagen, dass das Warten auf die Version 6.40, die seit Sommer 2010 auch bei uns läuft, vielleicht besser gewesen wäre. Jedoch standen wir im Sommer 2009 unter Zeitdruck, weil das System nicht mehr stabil und performant war und auch die Hardware erneuert werden musste. Wir können solche Arbeiten ausschließlich in der Sommerpause durchführen und ein weiteres Jahr zu warten war nicht möglich“, begründet Dirk Mönig die Inkaufnahme einiger Probleme.

 

Benutzerakzeptanz

Auf die Benutzerakzeptanz hatte das gravierende Auswirkungen: „Da die Nutzer die vorherigen technischen Probleme nicht gesehen haben und vorübergehende Einschränkungen hinnehmen mussten, standen sie der Entschei­dung für Zarafa zunächst kritisch gegenüber. Das hat sich unmittelbar nach der Migration wieder relativiert. Einiges war auch kein Problem von Zarafa, sondern hing mit der intensiven und zum Teil auch kreativen Nutzung von Outlook durch die Anwender zusammen“, erinnert sich Dirk Mönig. Wer vor einer Migration von Microsoft Exchange steht, dem empfiehlt der IT-Verantwortliche, unter Einbeziehung der Power-User genau zu analysieren, wie die Nutzer Outlook verwenden, um diese Probleme zu verhindern.

 

Die Vorteile überwiegen

Mittlerweile erfreut sich Zarafa einer hohen Akzeptanz der Nutzer. Auch Dirk Mönig ist sehr zufrieden: „Bei der Administration ist es ein großer Vorteil, dass man in viele Komponenten hineinschauen kann. Closed-Source-Produkte bieten das nicht oder nur teilweise, wodurch sich Fehleranalysen viel schwieriger gestalten. Außerdem läuft der Zarafa-Server mit hoher Stabilität. Überzeugend ist auch der Support mit schneller Hilfe durch den guten Kontakt zu Zarafa – in besonders komplexen Fällen bis hin zu den Entwicklern – und der Science + Computing AG. Bei Microsoft ist so ein direkter Kontakt meist ausgeschlossen und der Support meist deutlich schwerfälliger und kostspieliger.“

Die Kosten, die Zarafa verursacht, hält der EDV-Leiter für angemessen: „Es ist deutlich günstiger als Microsoft Exchange, aber natürlich ist es nicht umsonst. Im Gegensatz zur Nutzungsberechtigung, die man mit einer Lizenz erwirbt, zahlt man mit der Subskription jedoch die tatsächliche Leistung der Weiterentwicklung und der Qualitätssicherung sowie den Support. Immerhin ist die Groupware eine Kernfunktionalität. Wenn Outlook steht, steht alles still – die gesamte Kommunikation. So etwas wichtiges ohne Investitionen realisieren zu wollen, ist unmöglich, wenn man es auf solch professionelle Weise nutzen möchte. Das kann man nicht von der Community verlangen.“

Das Highlight von Zarafa ist für Dirk Mönig aber etwas anderes: „Die hervorragende Outlook-Integration bietet kein anderes Produkt. Beim Arbeiten mit Outlook merkt man nicht, dass das dahinter kein Exchange-Server ist. Die Implementierung der MAPI-Schnittstelle ist Zarafa sehr gut gelungen.“

 

Aktueller Stand und Ausblick

Seit der Migration wurde ein Update von Zarafa 6.30 auf die Version 6.40 durchgeführt und das Betriebssystem der Server von Ubuntu 8 auf Suse Linux Enterprise Server 11 migriert.

Weitere Pläne betreffen ein Update von Zarafa 6.40 auf Zarafa 7. „Einige Punkte sind in der neuen Version sehr interessant für uns“, sagt Dirk Mönig, „zum Beispiel der Unicode-Support oder der neue Archiver. Mit dem User Access Control könnten wir die Zugriffe über die teilweise in Privatbesitz befindlichen Smartphones kontrollieren, was aus Sicherheitsgründen sehr sinnvoll ist. Alles in allem ist die ständige Weiterentwicklung von Zarafa auch mit dieser Version wieder deutlich sichtbar.“

Dieser Beitrag wurde unter 3. Best Practice, Akzeptanz, Alle Texte, Anwendungsgebiete, Implementierung, Plattform, Sicherheit, Vorteile, Wirtschaftlichkeit abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setzen Sie ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.