2.2 Open Source Software – Community oder Enterprise? (Peter Albrecht)

Kurzfassung: Die Entscheidung für den Einsatz von Open-Source-Software erfolgt anhand verschiedener Kriterien. In vielen Fällen sind die (erwarteten) geringeren Kosten das wichtigste Kriterium, allerdings wird oftmals nicht bedacht, welchen Einschränkungen der Einsatz der Software eventuell unterliegt. Nicht alles, was als OSS zur Verfügung steht, ist in seiner Gesamtheit kostenlos zu erhalten. Für Dienstleistungen wie Updates und Support muss selbstverständlich mit Kosten gerechnet werden, die durchaus denen für proprietäre Software entsprechen können.

Die viel wichtigeren Kriterien für den Einsatz sollten Zuverlässigkeit, Stabilität, Funktionalität, offene Standards, (individuelle) Erweiterbar­keit, schnelle Fehlerbehebung (Patches), Support, Updates und Dienst­leistungen sein, für die man bei einem produktiven Einsatz zur Zah­lung der entsprechenden Gebühren bereit sein sollte. Zum einen soll­ten diese Gebühren für jede Firma finanzierbar sein (vor allem, wenn man den erhöhten Nutzen dafür in Betracht zieht), zum anderen trägt man als Kunde damit zur Weiterentwicklung der Software bei.

Damit sollte beim Einsatz von OSS in Produktivumgebungen den kostenpflichtigen Enterprise-Versionen der Vorzug gegenüber den kostenfreien  Community-Versionen gegeben werden, nicht zuletzt auch aus Gründen der  Fairness gegenüber den Entwicklern.

 

Über den Autor: Peter Albrecht arbeitet seit 1995 ausschließlich mit Open-Source-Software. Sein Wissen vermittelt seit mehr als zehn Jahren in Schulungen und Workshops, außerdem arbeitet er in Projekten (derzeit vor allem zum Thema Nagios). Bis 2008 war er bei der SUSE Linux GmbH beschäftigt, inzwischen ist er als Freiberufler tätig. Er ist erreichbar unter [email protected].

 

Übersicht

Dieser Artikel erklärt, warum auch für Open Source Software (OSS) Kosten entstehen können. Es werden exemplarisch die wesentlichen Unterschiede zwischen kostenfreier und kostenpflichtiger OSS aufgezeigt. Diese Unterschiede spielen eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, welche OSS eingesetzt werden soll.

 

OSS heißt nicht immer kostenlos

Ein häufig genannter Grund für den Einsatz von Open-Source-Software ist die kostenlose Verfügbarkeit. Daraus leiten viele den Anspruch ab, dass alles rund um OSS kostenlos verfügbar sein muss. Dies ist jedoch ein Irrglaube. Die Definition von freier Software (und dazu gehört OSS) wird gern mit der folgenden Aussage beschrieben: „Free as in free speech, not as in free beer“. „Freie Software“ bedeutet, dass diese ohne jede Einschränkung für jeden Zweck eingesetzt werden kann. Handelt es sich um OSS, so ist auch der Quellcode frei verfügbar.

Diese Definition von freier Software enthält keine Aussage über mögliche kommerzielle Aspekte. Sie erlaubt neben dem Anbieten von kostenpflichtigen Dienstleistungen auch den Verkauf der Software. Bei den Dienstleistungen fallen für OSS genauso wie für geschlossene Software (Closed Source Software, CSS) Kosten an, diese unterscheiden sich nicht in der Höhe. Für eine gute Dienstleistung zu einem OSS-Produkt kann der gleiche Preis verlangt werden wie für eine gute Dienstleistung zu einem CSS-Produkt.

Für eine Reihe von OSS existieren zwei Varianten der Software: eine frei verfügbare (oft als „Community Version“ bezeichnet) und eine kostenpflichtige (oft als „Enterprise Version“ bezeichnet) Variante. Anhand einiger Beispiele sollen die Unterschiede der Varianten beschrieben werden.

 

Beispiel 1: Linux-Distributionen

Der Unterschied zwischen den beiden Varianten „Community“ und „Enter­prise“ lässt sich sehr deutlich anhand von Linux-Distributionen zeigen. Er wird hier anhand der beiden führenden Distributoren SUSE und Red Hat beschrieben. Beide Distributoren bieten zwei Varianten an:

Beiden Distributionen ist gemeinsam, dass die Community-Variante die Basis für die Enterprise-Variante bildet.

Die Community-Variante

Die wesentlichen Eigenschaften der Community-Varianten sind:

  • kurze Entwicklungszyklen (eine neue Version erscheint etwa alle sechs Monate),
  • kostenloser Download,
  • Updates und Patches kostenlos verfügbar für etwa 15 bis 18 Monate,
  • Patches bedeuten oft eine neue Version der Software,
  • neueste Technologien,
  • umfangreiches Angebot an Softwarepaketen,
  • kein Support und keine Diensteistungen durch den Distributor.

Nach Ablauf von 15 bis 18 Monaten können die Systeme zwar weiter betrieben werden, aber es werden keine Updates und Patches mehr zur Verfügung gestellt. (Für die openSUSE-Distribution gibt es inzwischen das Projekt „Evergreen“, das sich zum Ziel gesetzt hat, für einen längeren Zeitraum Updates anzubieten.)

Die Enterprise-Variante

Die wesentlichen Eigenschaften der Enterprise-Variante sind:

  • lange Entwicklungszyklen (eine neue Version erscheint etwa alle zwei Jahre),
  • zusätzliche Testphase,
  • kostenloser Download (nach Registrierung),
  • lange Lebenszyklen, Updates und Patches verfügbar für fünf bis sieben Jahre nach Erscheinen der ersten Version
  • Patches werden auf die gleiche Version angewendet (z.B. bleibt die Kernelversion über den ganzen Zeitraum die gleiche),
  • Zugang zu Patches durch sogenannte kostenpflichtige Subscription (War­tungsvertrag),
  • Beschränkung auf die wichtigsten Softwarepakete,
  • Dienstleistungen (Support, Consulting, Training) durch den Distributor,
  • zertifizierte Hardware,
  • zertifizierte Software.

Ein aktiver Wartungsvertrag (Subscription) ist Voraussetzung für weitergehende Dienstleistungen wie beispielsweise Support. Pro Jahr betragen die Kosten für einen reinen Wartungsvertrag (Zugang zu Patches) pro Server etwa EUR 300,00 (für mehrere Server sind Rabattstufen möglich).

Zertifizierte Hardware

Linux hat immer noch einen Nachteil gegenüber Windows, wenn es um die Hardware-Kompatibilität geht. Inzwischen sind zwar sehr viele Hardware-Komponenten problemlos mit Linux verwendbar, aber es gibt immer noch Komponenten, die sich mit Linux nicht oder nur mit erheblichem Aufwand betreiben lassen. Ursache dafür ist, dass viele Hardware-Hersteller keine Linux-Module bereitstellen und nicht einmal ihre Schnittstellen öffentlich dokumentieren. Wären die Schnittstellen öffentlich dokumentiert, würde sich schnell ein Entwickler finden, der ein entsprechendes Linux-Modul erstellt.

Soll Linux als Produktivsystem eingesetzt werden, muss man sich darauf verlassen, dass die gewählten Hardware-Komponenten problemlos verwendbar sind. Alle großen Hardware-Hersteller (z.B. Dell, EMC, IBM, HP) bieten zertifizierte Komponenten und Server an, mit denen Linux garantiert zusammenarbeitet. Diese Hardware-Zertifizierungen gelten in der Regel nur für die Enterprise-Versionen von SUSE und Red Hat. Wird eine dieser Distributionen eingesetzt, bekommt man nicht nur die Gewissheit, dass es problemlos funktioniert, sondern man erhält auch Unterstützung des Hardware-Herstel­lers im Fehlerfall.

Zertifizierte Software

Analog zu zertifizierter Hardware sind etliche Applikationen für die Enter­prise-Varianten von SUSE und Red Hat zertifiziert. Beispiele sind Oracle und SAP. Werden diese Applikationen auf Red Hat Enterprise Linux oder SUSE Linux Enterprise Server eingesetzt, bietet der Hersteller auch Support dafür. Ist eine Community-Variante oder gar eine andere Linux-Distribution (z.B. Debian, Ubuntu) die Betriebsystem-Basis, so bietet der Hersteller keinen Support. Oftmals lassen sich die Applikationen nur auf Enterprise-Va­rianten installieren, für die Installation auf Debian Linux muss dem Installa­tionsskript vorgegaukelt werden, es handle sich um ein RHEL oder SLES. Die Folge ist ein erheblich verlängerter Installationsprozeß – bis zu mehreren Tagen. Ferner können weitere Herausforderungen im laufenden Betrieb entstehen.

 

Beispiel 2: Zwei Backup-Lösungen

Das beschriebene Beispiel zeigt anhand zweier Backup-Lösungen, wie zwei verschiedene Varianten aussehen können.

SEP Sesam

Die Backup-Lösung Sesam der Firma SEP (http://www.sep.de) ist als kostenlose Variante auf verschiedenen Linux-Distributionen vorhanden. Sie richtet sich an private, ausschließlich nicht-kommerzielle Anwender und bietet die Datensicherung für Linux und Windows. Sie sichert einen Server auf ein lokales Medium, ist zeitlich unlimitiert, aber nicht erweiterbar. Es werden keine Updates und keine Dienstleistungen (z.B. Support oder Training) angeboten.

Für den Einsatz in kommerziellen (produktiven) Umgebungen steht eine Testversion bereit, die für 30 Tage gültig ist. Anschließend kann durch den Kauf einer entsprechenden Lizenz die Software weiter verwendet werden (nach 30 Tagen können keine Sicherungen auf das Backupmedium mehr durchgeführt werden, es können nur noch Daten vom Backupmedium in das System kopiert werden). Mit dieser Version können mehrere Systeme über einen Backupserver gesichert werden, die Sicherung kann auf verschiedenen Medien (u.a. SAN) erfolgen.

Bacula

Das Konzept der Backup-Lösung Bacula (http://www.bacula.org) ist ein etwas anderes. Die kostenfreie Variante unterscheidet sich im Funktionsumfang von der Enterprise-Variante (http://www.baculasystems.com). Dienstleistungen (Training, Support, Updates) sind nur für die Enterprise-Version verfügbar.

Mit dem Erwerb einer Subscription stehen zertifizierte Binärversionen der Software für unterschiedliche Betriebssysteme zur Verfügung. Ausserdem werden Updates für einen mehrjährigen Zeitraum garantiert, die Subscription ist dabei nicht an eine bestimmte Version der Software gebunden, so dass verschiedene Versionen parallel eingesetzt werden können. Zu den zusätzlichen Funktionen gehören ein erweitertes Administrationswerkzeug sowie verschiedene Plugins für Windows-Clients. Neben diesen funktionalen Un­ter­schieden werden ausschließlich für die Enterprise-Version Dienstleistun­gen wie Support und Training angeboten – dafür fallen zusätzliche Kosten an.

 

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